Geschichten von Tsatsuka

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    • Geschichten von Tsatsuka

      Tsatsuka lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Endlich war sie mit der Dechiffrierung der Nachricht fertig geworden und aus einem harmlos erscheinenden Brief wurde eine wichtige Depesche. Es war schon etwas Zeit vergangen, als sie den Boten mit der Nachricht über den Tod des Händlers Darek übermittelt hatte. Zwischenzeitlich kam auch das Gerücht in den Umlauf, dass seine Geliebte und sein Kind ebenfalls nicht mehr auf dieser Welt weilten. Eine unnötige Grausamkeit in Tsatsukas Augen. Nachdem der Händler nicht mehr lebte, würde ihm das keine Lehre mehr sein können und es war nicht anzunehmen, dass andere Mitarbeiter davon erfahren würden, immerhin wissen nur die wenigsten voneinander. Aber so war die schwarze Zunft eben und vielleicht diente es auch nur zur Abschreckung jener, die davon wirklich erfahren. Wie zum Beispiel sie selbst. Nur an wen würde sich die Zunft bei ihr vergreifen?

      Wirklich lange hielt sie sich mit dem Gedanken nicht auf. Sie wusste sehr genau, dass die Zunft keine Spielchen trieb und das Drohungen ernst zu nehmen waren, also wird es schon nicht ihr gegolten haben. Wichtiger war, was in der Depesche stand. Zwei Worte: Findet Ersatz. Großartig, wirklich großartig, man erwartete von ihr, dass sie eine Person auftat, die vertrauenswürdig und fähig genug war, um Schätze unvorstellbaren Werts nach und aus Calpheon zu schmuggeln. Der Teppichhändler war ideal, denn unter den Teppichmassen konnte viel versteckt werden und niemand machte sich die Mühe, durch dutzende Pfunde Stoff zu wühlen. Aber wirklich problematisch war einfach die Zeit. Im Augenblick stand Tsatsuka unter Beobachtung. Das hatte sie dem alten Grafen zu verdanken, der plötzlich damit rausrückte, dass er umtriebig war und dabei Mendred gezeugt hatte. Sie gönnte es Mendred, aber sie war wahrlich nicht begeistert, dass sie heiraten sollten.

      Mendred und sie kannten sich schon lange und er wusste mehr über Tsatsuka als jede andere Person und sie betrachtete ihn auch als einen Freund. Vielleicht den einzig wahren Freund, den sie hatte. Und genau das war der Punkt, der sie so störte, denn die Last der Verantwortung hat schon Geoghram vernichtet und sie befürchtete, dass mit Mendred das Gleiche passieren könnte. Als wäre das nicht schon schlimm genug, wurde von ihr auch noch erwartet, dass sie Kinder in die Welt setzte. Kinder. Sie mochte keine Kinder, selbst Leyla, die schon dreizehn Jahre alt war und halbwegs anständig erzogen, war genug für sie. Aber bei ihr sah sie wenigsten ein Licht am Ende des Tunnels, denn in wenigen Jahren war sie erwachsen und verheiratet. Bis dahin würde sie weiterhin die liebe Tante spielen können. Und zugegebenermaßen, manchmal mochte sie Leyla auch, denn die Kleine war gewitzt.

      Aber ein Neugeborenes würde zuerst einmal nur ein nerviger Schreihals sein. Ein stinkender, nervender Schreihals. Und der Gedanke an die Monate der Schwangerschaft zuvor, erfüllte sie erst recht nicht mit Begeisterung. Sie würde mit Mendred nochmals darüber reden müssen. Spätestens, wenn er mit der Zeugung der Kinder beginnen wollte. Zumindest dem war sie nicht gänzlich abgeneigt, denn in den letzten Jahren hatte sich das Bett durchaus einsam und kalt angefühlt und immerhin war Mendred attraktiv und allgemein in Ordnung. Im Grunde war er der einzigen mit dem sie es überhaupt in Betracht zog, das Bett zu teilen. Und genaugenommen würde Tsatsuka wohl wahnsinnig werden, wenn Mendred mit einer anderen Frau antanzt. Eifersucht? War das wirklich Eifersucht? Sie lachte leise über sich selbst. Vielleicht mochte sie ihn ja doch mehr, als sie bereit war, zuzugeben.

      Findet Ersatz. Sie las die zwei Worte erneut und kehrte gedanklich zu ihrer momentanen Arbeit zurück. Niemand sagte ihr, wie sie einen Ersatz finden sollte, noch, welche Mittel sie dafür einsetzen durfte. Ein schmales Lächeln umspielte ihre Lippen. Sollen sich doch die darum kümmern, die den Tod Dareks verursacht haben, denn sie trieben sich viel mehr in Gefilden herum, wo passende Gestalten zu finden waren. Denn mit der bevorstehenden Legitimierung, Hochzeit und mit Khaleds Anwesenheit hatte sie schon mehr als genug um die Ohren.

      Tsatsuka legte den Zettel weg und machte sich daran, Nachrichten aufzusetzen, dass sie Rhaida, Rawhiti und ihr Anhängsel nochmals sehen will. Sie hoffte auch, dass Mendred bald wieder da war, um ihm davon zu berichten. Vielleicht war es gar nicht so übel, ihn zu heiraten.
      "Japan ist ein wenig so wie Österreich: da hast du erstens das Meer..." 8o

    • Endlich war Ruhe eingekehrt. Auf dem kleinen Tisch standen noch einige Brötchen mit Lachs und Ente, denn niemand hatte die Köstlichkeiten angerührt. Niemand außer Aegaria. Tsatsuka erinnerte sich, dass die Kleine eines gegessen hatte. Allgemein war sie ihr sehr aufmüpfig vorgekommen, denn sie war sonst immer sehr still und schüchtern. Es hatte sich etwas verändert. Die Gräfin schnappte sich selbst ein Lachsbrötchen, das zweite am heutigen Abend, und setzt sich an ihren Schreibtisch. Sie goss sich noch ein Glas Wein ein und nippte daran. Ein weiterer Punkt, der sich veränderte. Früher hatte sie Wein nur sehr selten getrunken und lieber zu roten Traubensaft, der Wein zum Verwechseln ähnlich sah, zu sich genommen, da sie die berauschende Wirkung vom Alkohol nicht mochte. Ein klarer Verstand war ihr stets wichtig. Mittlerweile erfreute sie sich daran, zwischendurch keinen klaren Gedanken zu fassen. Sie trank einen weiteren Schluck.

      Xellesa wurde heute in Calpheon aufgegriffen und zu ihr gebracht. Die Frau hatte wohl einen heftigen Schlag auf den Kopf bekommen, denn sie konnte sich nicht wirklich an ihre Vergangenheit erinnern, ja nicht einmal an ihre Kinder und auch nicht an das Monster von einem Ex-Ehemann. Dieses Monster scheint einen noch viel heftigeren Schlag abbekommen zu haben. So wie er sich ihr und seinen Kindern gegenüber gab, konnte man fast glauben, dass Khaled ein freundlicher Familienvater und besorgter Ehemann sei. Tsatsuka zündete eine Kerze auf ihrem Tisch an und war versucht, Khaled einfach nur zu beschimpfen. Es war eine Lüge, was er heute abgezogen hat. Eine Lüge, die ihm zum Vorteil gereichen sollte, aber das wird ihm nichts nützen. Er konnte nicht ewig verstecken, was er war und Xellesa mag ihre Erinnerung verloren haben, aber anzunehmen, dass die Frau, die zurückgekehrt ist, dumm sei, wäre ein fataler Fehler.

      Sie aß das Lachsbrötchen auf und leckte sich das Fett von den Fingern. Es war niemand hier, der sie beobachten konnte, also kümmerte sie sich auch nicht darum, dass es nicht gerade schicklich war. Es gab Arbeit zu erledigen. Aus der Tischlade fischte sie Papier, Feder und Tinte und begann eine kurze Botschaft aufzusetzen:
      Zedith ist bei mir. Ich werde von ihr alles erfahren, was die schon so lange gesuchte Gruppe erfahren hat und mich dann ihrer annehmen. Ihr Kopfgeld kann gestrichen werden.
      Sie faltete das Papier und steckte es in einem Umschlag, den sie versiegelte. In das heiße Wachs ritzte sie mit der Feder ein Zeichen, das dem Empfänger zeigte, von wem die Botschaft kam. Sie würde sie später, wenn im Haus alles ruhig war, abschicken.
      Zumindest an diesem Ende gab es positive Fortschritte. Morgen sollte Scheluna Famorre, das Mädchen, die sie als Botin für die Zunft rekrutiert hatte, ihre gerechte Strafe empfangen und dann endlich nach Velia aufbrechen können. Hoffentlich war sie keine Enttäuschung. Wenn doch… nun der Empfänger der Botschaft wusste, was er zu tun hatte.

      Die Gräfin nahm einen weiteren Schluck Wein zu sich und überraschenderweise war das Glas schon wieder leer und plötzlich fühlte sie sich einsam. Mendred, der fast immer an ihrer Seite war, würde heute Nacht nicht zurückkehren und es war ihre Schuld. Sie wusste, dass er Kinder wollte und jedes Mal wenn er es ansprach, vermied sie es, darüber zu sprechen oder gab irgendwelche halbgaren Antworten von sich. Sie wollte keine Kinder. Sie wollte nicht wochenlang mit Bauch herumlaufen und die Geburt und dann einen kleinen Schreihals um sich haben. Auch wenn letzteres kein wirkliches Argument war, denn es gab genug Bedienstete, die sich dem Baby annehmen würden. Eigentlich waren alles nur faule Ausreden und lange würde sie damit nicht mehr davonkommen. Sie schenkte sich das Glas abermals voll. Vielleicht war heute Nacht Zeit, ernsthaft darüber nachzudenken…
      "Japan ist ein wenig so wie Österreich: da hast du erstens das Meer..." 8o