Thyrianna - die weiße Krähe - Geschichten einer Schwarzmagierin

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    • Thyrianna - die weiße Krähe - Geschichten einer Schwarzmagierin

      Freiheit?

      Warm schien die Sonne an diesem Nachmittag auf den Strand, eine kühle Prise vom Meer her sorgte für etwas Erfrischung. Lachend lief das junge, schwarzhaarig Mädchen mit ausgestreckten Armen über den weißen Sand und genoss die Freiheit dieses eine Tages, während ihre Meisterin sie lächelnd beobachtet. Die alte Frau, welche auf einer kleinen Düne saß liebte das Mädchen wie ihre eigene Tochter und doch musste sie streng sein. Der Weg den sie beschreiten würde war gefahrvoll, für Thyrianna und für ihre Umgebung. Magie war ein sehr mächtiges Werkzeug und schnell wurde sie zu einer Waffe. Aber den heutigen Tag sollte die kleine Thyrianna genießen. Bald würden diese Freiheiten immer weniger werden. Mittlerweile winkte Thyrianna den Schiffen mit den weißen Segeln zu, die am Horizont vorbeizogen.

      Thyrianna winkte den Männern in der Takelage zu, während sie sich selbst an der Reling festklammerte. Immer wieder kamen riesige Wellen über und drohten die Decksbesatzung von Bord zu spülen. „Jenkins! Beim Klabautermann, mach den Tampen fest oder willst du, dass wir das Hauptsegel verlieren?“, brüllt sie gegen den Sturm an. Hier nutzte ihr ihre Magie nicht, hier war das Meer der Herr und trotzdem lachte sie wild in den Sturm hinein, genoss das kalte Wasser auf der Haut, den salzigen Geschmack im Mund. Alle ihre Sinne waren auf diesen Moment fixiert. „Brecher von Steuerbord!“ brüllte sie wieder während der Steuermann versuchte, den Bug in Richtung der Welle zu drehen. Ein Schatten flog an ihr vorbei und sie streckte einen Arm aus und griff blind zu, während ihr Massen an Salzwasser über den Körper strömten. „Jenkins verdammt!“ lachte die Fünfundzwanzigjährige dem Decksmaat ins Gesicht als sie ihn mit aller Kraft über die Reling zurück an Bord zog. Trotz der Verantwortung hier, fühlte sie sich so frei wie noch nie.

      Mit letzter Kraft zog sich die Weißhaarige an einem Bündel Äste der großen Trauerweide hoch, die vor ihrem Zuhause stand. Oder dem was noch davon übrig war. Sie fühlte sie leer wie noch nie, ihr Hirn schien wie in Watte gepackt. Alle Farben kamen ihr matt und alle Geräusche dumpf vor. Die Welt hatte sich noch nie so bedeutungslos angefühlt. Zwei Tage hatte sie ohne Regung hier gesessen und getrauert. Tränen hatte sie schon lang keiner mehr. Es war niemand mehr da, für den sie Verantwortung übernehmen konnte, niemand für den sie leben wollte. Sie hatte alles verloren.

      „Freiheit“, lachte sie innerlich, bitter. „Freiheit, ein anderes Wort dafür, dass man nichts mehr zu verlieren hat.“ Sie saß in Velia auf einem großen Stein gegenüber der Ställe und biss in einen Apfel. Sie genoss die Kälte des Wintertages auf ihrer Haut, die sanften Berührungen des fallenden Schnees und die süße Säure des Apfels und hing ihren Gedanken nach. „Das ist also die absolute Freiheit?“ Langsam sah sie auf, als ein Schatten auf sie fiel. Grauer Rock, grauer Mantel, blonde Haare und smaragdgrüne Augen. Thyrianna lächelte. Es gab doch noch interessante Dinge zu erleben.
      „Hallo Susi“…
      Thyrianna - gutmütige Ex-Seefahrerin, die zu oft ihre Nase in Dinge steckt, die sie nichts angehen
      Hinagiku Kaori - etwas verwirrte Maehwa-Kriegerin aus einem Land weit weit weg
    • Ritual 1


      Ein kalter Wind pfiff durch die Ritzen des Daches des alten Hauses und ließ die Kerzen unstet flackern. In der windabgewandten Ecke des Dachbodens, auf einem Stapel alter Felle saß, nach vorn übergebeugt einer Gestalt, in etliche Decken gehüllt über einem alten Pergament. Immer wieder glitten schlanke Finger über die Zeilen und Symbole, schwarze Augen huschten über das Schriftstück und zu den Notizen, die um den Leser verteilt lagen. Ein leises Seufzen ertönte und der Atem bildete einen feinen Nebel.
      „Genug für heute, Thyrianna.“ Hörte man von der Stiege, die zum Dachboden hinaufführte. „Du musst schlafen und bei der Dunkelheit zu lesen macht schlechte Augen.“
      „Ja, Meisterin.“ Antwortete eine junge, helle Stimme und die bis eben gebeugt sitzende Person richtete sich auf, wobei ihr die Decken herunterrutschten und ein junges Gesicht freigaben, welches von pechschwarzem, lockigem Haar eingerahmt wurde. Das Mädchen gähnte leicht, rollte das Pergament ein, räumte ihre Notizen eilig zusammen und löschte die Kerzen, bevor sie den Dachboden verließ.
      „Was liest du dort oben eigentlich, junge Dame?“, fragte die alte Frau, welcheThyrianna nach unten gerufen hatte. „Ich habe beim Aufräumen ein altes Pergament gefunden, Gramand. Ich versuche gerade es zu entziffern.“, meinte die junge Thyrianna. „Ein Pergament, soso. Erzählst du mir davon, wenn du es übersetzt hast?“ „Natürlich, Meisterin. Aber das dauert sicher noch lang. Bestimmt bis zum Frühling. Ich muss ja nebenher noch viel Anderes lernen, stimmt’s Meisterin?“ Die alte Frau strich dem Mädchen sanft durch die Haare und nickte leicht. „Ja, das stimmt, wenn du mal eine richtige Schwarzmagierin werden willst, musst du noch einiges lernen. Aber verzage nicht, du bist viel weiter, als du denkst.“ Thyrianna lachte etwas verlegen und begann sich nachtfertig zu machen. Nacheiner Weile sah sie ihre Meisterin an. „Morgen gehe ich an die Küste und versuche Kräuter zu finden, die nur dort wachsen.“ Nun war es die alte Frau, die leicht lachte. „Und vielleicht siehst du ja wieder einige Schiffe, denen du winken kannst.“ „Hoffentlich.“, meinte die Schwarzmagierin in Ausbildung und legte sich in ihr Bett. „Hoffentlich. Gute Nacht, Meisterin.“ „Gute Nacht, meine Kleine.“


      So verging Tag um Tag. Thyrianna lernte, übte, half im Haus und auf dem Hof, Abends saß sie über dem Pergament und versuchte die uralte Sprache und die ihr unbekannte Schrift zu entziffern.
      Thyrianna - gutmütige Ex-Seefahrerin, die zu oft ihre Nase in Dinge steckt, die sie nichts angehen
      Hinagiku Kaori - etwas verwirrte Maehwa-Kriegerin aus einem Land weit weit weg

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Mira Koos ()