Zügellos

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    • Aufgeregt und angespannt stand Hibiki vor dem Tor des kleinen Nebenhofes. Die Tür zum Stallgebäude war geschlossen und die Paddocks am Stall leer. „Entschuldigung!“ sprach sie etwas lauter. „Ich trete jetzt ein!“
      Mit diesen Worten öffnete sie die Tür und betrat das Gebäude. Sie sah sich in dem sauberen und geräumigen Gebäude um, verbeugte sich kurz, wobei sie die Hände in ihren Schoß übereinanderschlug und sprach etwas leiser, „Danke für Eure Gastfreundschaft.“ Sie erntete ein Schnauben von den fünf Pferden, die ihre Köpfe neugierig über die Boxtüren streckten, nur um sich dann wieder dem Heuhaufen zu widmen.
      Langsam schritt Hibiki den Gang entlang und betrachtete die edlen Tiere mit wachsender Ehrfurcht. Weniger durch die Gestalt der Tiere beeindruckt als mehr durch ihren offensichtlichen Wert wurde ihr flau im Magen. Zudem war die Ruhe in diesem Stall fremd für sie.
      Den Pferdeboxen gegenüber türmte sich ein Haufen aus Strohbündeln, ordentlich aufgeschlichtet. Sie betrachtete die eigenartigen, quaderförmigen Gebilde, und fuhr beinahe vor Schreck zusammen als sie eine blonde Frau erblickte, die, auf diesen Ballen sitzend, in ein größeres Buch zu schreiben schien.
      Tausende Gedanken schossen Hibiki durch den Kopf, als sich die smaragdgrünen Augen der jungen Frau auf sie richteten. Ihr Kleid, das den Anschein hatte es wäre aus Federn glitzerte in einem Schwarz das den Eindruck einer klaren Sternennacht vermittelte. Das Gesicht der Frau kam Hibikis immer näher, während sich ihr Mund zu einem Kussmund formte. Starr vor Schreck, oder eher eigenartiger Faszination für diese zwei hellgrünen Augen stand Hibiki nur da, während ihr Herz zu rasen begann. Diese Frau konnte doch nicht, sie durfte nicht!
      „BUH!“ Hibikis Herz setzte einen Schlag lang aus, als die als Susi Sorglos bekannte diesen Laut von sich gab und kurz darauf triumphierend kicherte. Das Mädchen mit den pinken Haaren war sich einen Moment unsicher ob sie äußerst beschämt, zu tiefst beleidigt, extrem verwundert oder furchtbar wütend war. Wie konnte man denn einen Gast, oder schlimmer noch einen Kunden so behandeln?
      Sie ließ sich natürlich nichts dergleichen anmerken und verbeugte sich höflich. „Guten Morgen Sorglos-san, mein Name ist Houjou Hibiki, ich bin die Dienerin von Hinagiku Kaori Sama und möchte von euch ein Pferd erstehen.“ Sie richtete sich wieder auf und war zu allererst von der Alltagsrobe verblüfft, die die als Susi Sorglos bekannte nun trug. Oder trug sie diese die ganze Zeit schon? Irgendetwas war unheimlich in diesem Stall, oder lag es an dieser Frau, die ihr nun frech grinsend ihre Hand entgegenstreckte.
      „Sorglos Susi, niemand Verdächtiges. Erfreut euch kennen zu lernen Houjou-san.“ Sprach sie in Hibikis Sprache, was diese mit einem Nicken quittierte und auf die Hand schaute, die nun weggezogen, und durch eine förmliche Verbeugung ersetzt wurde. Jetzt war sie etwas perplex. Woher kannte diese Susi Sorglos die Sitten ihres Landes? Warum kannte sie sie?
      „So!“ plapperte Susi sorglos weiter. „Ob ich dir ein Pferd verkaufe oder nicht, liegt daran, ob du die Prüfung meistern kannst.“ Hibiki folgte den etwas unberechenbaren aber beeindruckend grazilen Bewegungen der Gestiken dieser Frau während diese munter weiter plapperte. „Ihr werdet jetzt Zeit in diesem Stall verbringen. Keine Ahnung wieviel. Vielleicht ein paar Jahre. Oder waren das Tage, ich komme dabei immer wieder durcheinander. Ihr werdet schon nicht verhungern, aber falls doch wäre das für euch etwas ungünstig, weil ihr dann nicht wieder rauskommen und mir berichten könnt, was ihr erlebt habt. Tschüss!“ Hibiki starrte mit offenem Mund auf die eben geschlossene Tür. Sollte sie Hinagiku-sama einfach sagen, dass Sorglos-san offenbar von Sinnen ist? War das alles eine Prüfung, die sich vielleicht Hinagiku-sama ausgedacht hatte? Das musste es sein. Sie sollte beweisen, dass sie auch mit ungewöhnlichen Situationen fertig wurde. Sie lächelte als sie dachte, 'ich werde euch nicht enttäuschen, Hinagiku-sama!‘

      Langsam schritt die etwas kurz geratene 18jährige die Pferdeställe ab. Sie begann eine beklemmende Enge zu spüren, hörte flüstern, sah Augen in der Dunkelheit. Sie fühlte sich nichtmehr als würde sie die Pferde beobachten, als würde sie eins wählen, es schien umgekehrt zu sein. Sie war es, die gemustert wurde. Sie war es, die sich beweisen musste. Ein furchtbarer Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Sie fühlte sich beschämt. Sie hatte sich falsch verhalten! Sie hatte beinahe ihre Ehre beschmutzt, ohne es überhaupt zu merken. Sie schlang die Hände um die Brust und kniff die Augen zusammen. Was hatte sie sich eingebildet? Ein Pferd anzusehen und festzustellen, dass es einen guten Bau hat? Dass es gesund und jung aussieht? Sie spürte diese Worte in ihr, als würden sie direkt über sie selbst gesprochen. Hibiki verneigte ihren Oberkörper. Scham und Schande spürte sie, dass sie die Tiere nicht so respektiert hatte wie sie es verdienten. Still und wortlos bat sie darum, dass ihr vergeben wurde, sodass ihr erlaubt war, sich auch selbst zu vergeben.

      Die Tür klackte kurz und Hibiki sah wie die frische Morgensonne durch den Spalt, den sich die Tür geöffnet hatte, schien. Der Stall wirkte auf einmal sehr offen und einladend. Sie hörte wie die Pferde genüsslich ihr Heu kauten und wie es nach frischem Stroh duftete. Es war schön hier.
      Sie richtete sich auf und stand direkt vor einem Pferd, das fast ein wenig anzulächeln schien. Hibiki verbeugte sich abermals und dachte an die Worte, die sie immer bei einer förmlichen Vorstellung rezitierte. „Seid gegrüßt, mein Name ist Houjou Hibiki, Dienerin von Hinagiku Kaori Sama. Ich bin sehr erfreut euch kennenzulernen.“
      Dann verließ sie den Stall um Susi Sorglos zu finden, was nicht all zu lange dauerte, sie lehnte an der Hauswand, in ihrer Alltagsrobe und kritzelte wieder in ihr Buch. Hibiki verbeugte sich vor Susi und wollte gerade beginnen zu berichten was passiert war, als diese aus den Augenwinkeln zu ihr sah. „Name?“ fragte sie. „Akane.“ Antwortete Hibiki sofort, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, woraufhin sie nun doch vor Sorglos-san ihre Fassade fallen ließ. Ihr Unterkiefer hing nach unten und die sonst sehr mandelförmigen Augen waren weit aufgerissen und muteten fast rund an. Noch bevor sie sich aus der Starre wieder befreit hatte, kniete sich Susi vor sie und legte ihr kurz eine Hand auf die Wange.
      „So wie der Reiter das Pferd wählt, wählt auch das Pferd den Reiter. Houjou Hibiki.“ Dann löste sich die weiche, warme, fast schützende Hand von ihrer Wange und Susi verschwand mit den Worten „Das Pferd und der dazu passende Sattel mit Steigbügel gehört euch. Über den Preis rede ich mit Kaori noch. Schönen Tag.“ im Stall.
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      I hope in your stumbling around, you do not wake the dragon. (Londo Mollari, Babylon 5)

      Pinsel bringen Leute zum Durchdrehen. (Siriaka Jayeon, Black Desert Online)