Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön... [Jun]

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    • Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön... [Jun]

      Das langsame, sanfte wiegen des Wellengangs ließen sie schläfrig wirken. Das feine Laken, dass sie unter sich in die Hängematte gebettet hatte, war weich, genauso wie das mit Federn gefühlte Kissen. Obwohl Yuria Captain Rubykar um eine möglichst unauffällige Behandlung gebeten hatte, so war der Mann, der schon so lange ein guter Freund der Familie gewesen war, darum bemüht, dass es ihr gut ging. Obwohl ihr Leben im Augenblick unsicher und voller Unklarheit war, fühlte sie sich geborgen und sicher. Die ruhige See tat ihr übriges dazu. Eigentlich hatte sie sich nützlich machen wollen, doch Rubykar hatte sie unter Deck geschickt, die Arbeit wäre nichts für ein Mädchen ihres Standes. Dabei hatte sie gehofft, so ein wenig ihre Tarnung aus zu bauen und der Langeweile entgegen zu wirken. Sie drehte sich um, dabei führ sie sich mit der einen Hand über das nun kurze Haar.
      "Es fühlt sich so seltsam an," murmelte sie leise bei sich. Sie schloss ihre Lieder und kurze Zeit später war sie ins Reich der Träume versunken.

      Die Wände des Speisesaals waren unnatürlich hoch und seltsam verdreht. Die rubinroten Brokatvorhänge hingen von unten nach oben und das Licht brach in einem seltsamen, diffusem Licht. Irgendwo von draußen knisterten Fackeln oder Feuerpfannen oder... es war eigentlich viel zu laut, um nur das Feuer von Fackeln zu sein. Yuria drehte sich irritiert um, sie trug ein hübsches Kleid, ihr Haar fiel in sanften Wellen über die Schultern. Von irgendwo ertönte Geschrei, eine auf den Boden gefallene Tür öffnete sich und spie mehrere sehr abenteuerliche angezogene und ungepflegte Kerle aus. Lachend verteilten sie sich im Raum, Yuria schienen sie entweder nicht zu bemerken oder gar nicht sehen zu können. Der beißende Geruch von Rum, Schweiß und ihr unbekannten Dingen breitete sich wie ein Nebel aus, nein der Raum war auf einmal voller Nebel. Ein Nebel, der sie husten und nach Luft schnappen ließ.
      'Rauch... Feuer!' wollte sie schreien, doch ihre Stimme versagte ihren Dienst und ließen die junge Frau heftig husten. Von irgendwo kam eine prankenartige Hand, fast wie die eines Raubtieres. Grob wurde sie zu einem Bild geschoben und hindurchgeschubst. Als sie sich umblickte, sah sie in der Ferne ein Feuer, doch anstatt eines grobschlächtigen Piraten stand ein junger Mann, ein Angestellter des Hauses vor ihr. Er trug ungewöhnliche Kleidung in mehreren Schichten und beugte sich vor, den Finger an die Lippen gehalten. 'Sei still, sonst kann dich das Feuer hören,' beschwor er sie. Irgendwo raschelten Blätter, ein Wasserfall mischte sich dazu. Als ob das alles nicht skurril genug gewesen wäre, begann nun auch der Boden heftig zu schaukeln.

      Die Landung auf dem Holzboden war schmerzhaft. Normalerweise hätte sie gar nicht aus der Hängematte fallen können sollen, doch ihr unruhiger Schlaf und der heftige Wellengang hatten ausgereicht. Mühevoll versuchte sie sich aufzurichten, doch es wollte dem Mädchen nicht so recht gelingen. Ihr weißes Hemd war verschwitzt und als sie sich über die Stirn fuhr waren auch diese und der Haaransatz nass geschwitzt. Leise bei sich um ihre Schwäche schimpfend zog sie sich mühevoll am Netz der Hängematte hoch, um taumelnd und rutschend zur Tür ihre Kammer zu gelangen. Es gab kein Fenster, doch sie brauchte keines, um zu erkennen, dass die Windgleiter in einen heftigen Sturm geraten sein musste. Ein weiterer Ruck erfasste das Segelschiff und hätte Yuria um ein Haar wieder von den Füßen geholt, doch sie hatte noch den Griff der Türe packen können. 'Du hast schon einmal einen eleganteren Gang drauf gehabt, Mädel,' schalt sie sich. Allerdings hatte sie auch keine Erfahrung mit Stürmen auf See, denn sie hatte ihre Heimatinsel Althrae noch nie verlassen.

      Mit etwas Mühe öffnete Yuria die Tür der Kammer und blickte auf den Gang, von dem noch ein paar weitere Türen abgingen. Im Augenblick schien niemand zugegen sein, doch das war eigentlich nichts ungewöhnliches, denn es waren die privaten Räumlichkeiten des Captains, die sich unterhalb seiner Hauptkabine befinden. Die Mannschaftsquartiere und Ladekammern hatten eigene Zugänge.
      "Captain Rubykar? Ruby?" Yuria rief so laut sie konnte, doch niemand schien zu hören. Draußen schien ein lautes Unwetter zu toben, mit Sicherheit war die gesamte Mannschaft damit beschäftigt, das Schiff über Wasser zu halten. Sie taumelte den Gang entlang und wurde je nach Wellengang mal zur einen mal zur anderen Seite geschleudert. Ihr Fieber erschwerte die ganze Sache noch einmal. Endlich erreichte sie die Tür, die sie zur Treppe aufs Deck bringen würde. Der Boden war an dieser Stelle schon nass und rutschig, der Wind hatte die Feuchtigkeit längst unter der Tür durch gedrückt. Sie öffnete die Tür und wurde direkt mit einem großem Schwall Salz- und Regenwasser begrüßt. Yuria verlor das Gleichgewicht und landete auf ihrem Hintern. Das Stück Himmel, das sie durch den Treppenaufgang und dem Segel entdecken konnte, war kaum zu erkennen, denn dunkelschwarze Wolken hatten alles verdeckt. Als ein Blitz den Himmel erhellte, konnte sie erkennen, dass das Segel ein Loch aufwies. Die Form war seltsam, fast so als hätte eine Kanonenkugel ein Loch hinein gebrannt. Noch während sie die nasse Treppe hinauf kletterte, ertönte ein weiteres Krachen, gefolgt von einem Geräusch, das klang, als wäre etwas sehr schweres ins Wasser gefallen. Die Erkenntnis ließ Yuria zusammen zucken und als sie den Rand der Treppe erreicht hatte, bestätigte ein weiterer Blitz ihre Befürchtungen: In der Ferne war ein weiteres Schiff. Ein Schiff mit dunklen Segeln. Tief in ihrem Gedächtnis ertönte eine warnende Stimme: 'Wenn dich schwarze Segel verfolgen, so bist du in großer Gefahr!'

      Yuria wollte sich aufrichten, als das Schiff sich wieder stark zur Seite neigte und neben der Gischt einen weiteren Schwall Meerwasser in ihre Nähe schickte. Doch bevor sie die Treppen zurück fallen konnte, hatten sie zwei kräftige Hände gepackt und auf die Beine gezogen.
      "Bei den Göttern, Mädel, was tust du hier? Bleib unten!" schalt der Mann sie. Er half ihr die Treppe nach unten und drückte die Tür hinter sich zu. Das Licht der wenigen Laternen flackerte wild, während auch er sich darum bemühte, auf den Beinen zu bleiben.
      "Werden wir angegriffen? Von Piraten?" Yuria fühlte sich seltsam ruhig. Sie wusste, sie sollte Angst haben, doch das Fieber hatte alles in die Ferne gerückt. Erst jetzt erkannte sie den Mann, es war Shelby, der erste Offizier der Windgleiter. Shelby seufzte und half Yuria, den Gang entlang zurück in ihre Kabine zu gehen. Seine Kleidung war komplett durchnässt, der Hut, den er sonst trug, war verschwunden.
      "Wir wussten alle, dass das passieren könnte. Manchmal verbreiten sich Informationen und Gerüchte schneller, als einem lieb ist. Vor allem wenn man betroffen ist. Bleib auf deinem Zimmer und mach dir keine Sorgen. Die Windgleiter ist schneller als das schwarze Schiff und der Sturm spielt uns ausnahmsweise in die Hände. Die kriegen uns nicht. Wir werden die Route ändern, damit sie nicht wissen, wohin wir eigentlich fahren wollen." Shelby schob sie sanft in die Kabine und half ihr in die Hängematte, auch wenn sich das bei dem starken Wellengang als eine Herausforderung darstellte. Er zeigte ihr noch schnell, wie sie dafür sorgen konnte, nicht heraus zu fallen.
      "Sobald wir die schwarzen abgehängt haben, schau ich nach dir. Du hast Fieber. Egal was passiert, bleib hier, verstanden?" Shelby blickte sie eindringlich an. Yuria kannte diesen Blick aus mehreren Gesprächen, die er mit dem Captain oder anderen in verschiedenen Situationen schon geführt hatte. Er meinte was er sagte und sie wollte ihn nicht verärgern. So sehr sie wissen wollte, was passierte, etwas tun wollte, um zu helfen, so sehr war ihr klar, dass sie seinen Rat befolgen sollte. Gepaart mit dem Fieber wäre sie ohnehin keine Hilfe. Sie krallte sich in das Netz der Hängematte und versuchte ihre Gedanken zu beruhigen, doch es wurde immer schlimmer und sie verfiel wieder in einen fiebrigen Traum, noch verrückter und seltsamer als der erste.
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      Mendred: "... aber mit dem Schwert geht's schneller."