Hem´achla, noch ein klein wenig mehr.

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    • Hem´achla, noch ein klein wenig mehr.

      Lächelnd und mit gemächlichem Schritt ging er an seiner Rosenhecke vorbei. Die Handfläche streifte dabei sanft über die noch geschlossenen Blütenköpfe.
      Der Duft empfing ihn wie jeden Morgen, und einzelne Tautropfen fielen bei seine Berührung hinunter in das Gestrüpp. Vor der größten Rose blieb er stehen.
      Jedesmal hatte er das Gefühl, die Blume würde sich in seine Hand schmiegen, sobald er sie berührte. Und stets umschlich ihn der Gedanke von Verlust, sobald er ansetzte weiter zu gehen.
      Seine Fingerspitzen fuhren leicht die einzenen Blätter nach, als ein lautes beinahe ohrenbetäubendes Zwitschern eines winzigen Vogels aus dem Dornengestrüb erklang.
      Er musste lachen. Wie konnte ein so kleines Geschöpf nur so unglaublich laut sein?
      Der Zaunkönig hopfste wie jeden Morgen von einem Ast zum anderen, ihn dabei nie aus den Augen lassend und überschüttete ihn mit vorwurfsvoll klingenden Gezwitscher.
      „Na Kleiner? Könntest du eine Waffe führen, würdest du meinen Kopf fordern was?“
      Schmunzelnd ging er weiter Richtung Teich. Eine Wasserfontaine sprudelte in seiner Mitte gut eineinhalb Schritt in die Höhe.
      Er legte der Kopf leicht schräg und betrachtete das Wasserspiel. Es erinnerte irgendwie an einen menschlichen Körper. Die Gischt oben auf, wie wallende weisse Haare. Irgendwie beruhige ihn der Anblick.
      Zufrieden setze er sich am seinen Platz, die Füsse im Wasser, die Zehen leicht in den weichen Sand gegraben. Der Kopf fiel ihm in den Nacken und er liess sich das Licht ins Gesicht scheinen.
      Hoch über ihnen kreiste ein Falke. Stets war er dort. Beobachtend, wachend. Er hatte ihn nie von Nahem gesehen, doch wusste er, der Falke hatte grün schimmernde Augen.
      Sein Blick lag noch auf dem Vogel am Himmel, und seine linke Hand griff in den Obstkorb neben ihm. Herzhaft biss er in die Nektarine. Das Fruchtfleisch knacke und löste sich ohne Wiederstand vom Kern.
      So hatte er sie am liebsten. Als er zu seinem Buch auf der Rechten greifen wollte, erblickte er einen kleinen Fuchs.
      Die riesigen Ohren stellten sich auf, als dieser merkte, dass sein Näherkommen bemerkt worden war. Die Vorderpfote noch in der Luft, erstarrte er mitten in der Bewegung.
      „Guten Morgen. Was treibt dich denn hierher?“ Die beiden unterschiedlich farbigen Augen des Fennek, eines blau, das andere gelb, hüpften von der Nektarine zu seinem Gesicht und wieder zurück.
      „Du willst etwas hiervon? Einfach so? Alles hat seinen Preis!“
      Er streckte die freie Hand aus, zum Schnuppern einladend. Der Blick des Fuchses schnellte zu der Hand, und verleitete ihn zur Flucht in das Rosendickicht.
      Das Unmut verkündende Zwitschern des Zaunkönigs lies nicht lange auf sich warten.
      Leise lachend wandte er sich wieder dem Buch zu, doch erneut wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt.
      Schritte näherten sich im Sand. Und als er sich zu ihnen umblickte erspähte er einen Mann, der in eine unbestimmte Richtung vorbeischlenderte.
      Er kam ihm bekannt vor, doch wollte ihm beim besten Willen nicht einfallen, wo er diesen Mann schon einmal gesehen hatte.
      „Einen warmen Morgen und kühle Schatten mein Freund!“ grüßte er den Fremden, stand auf, und ging diesem entgegen.
      Der Fremde wandte sich ihm zu, und ein warmes ehrliches Lächeln erblühte auf seinen Zügen.
      „Das Selbe wünsche ich euch. Ein herrlicher Morgen nicht wahr?“
      „In der Tat. Ihr seht aus, als hättet ihr eine weite Reise hinter euch. Setzt euch doch zu mir, ruht euch aus, erfrischt euch und erzählt mir eure Geschichte.“
      „Ich würde eurer Angebot nur zu gern annehmen, doch fürchte ich, ich habe nicht nur eine weite Reise hinter mir, sondern auch eine ebenso weite liegt noch vor mir.
      Und würde ich verweilen, wer vermag zu wissen was ich wohl verpassen könnte?“ Das Lächeln des Fremden weitete sich zu einem Grinsen aus, und seine weissen Zähne blitzen im Morgenlicht.
      „Ein Jammer, doch kann ich es nachvollziehen. Aber sagt mir, wohin führt euch euer Weg.“
      „Nach Osten. Stets gen Osten.“ Der Fremde verneigte sich höflich, und setze an, seinen Weg fortzusetzen. Doch hielt er inne und drehte sich noch einmal zu ihm um.
      „Guter Mann, darf ich euch um einen Gefallen bitten?“
      „Äussert ihn nur, ich bin mir sicher, wir werden uns einig.“
      „Es mag sein, dass meine Schwester hier vorbeikommt. Bitte richtet ihr aus, so ihr sie seht, dass ich hier vorbeigekommen bin, und wohin mich meine Schritte führen.“
      „Das werde ich tun. Wie werde ich sie erkennen?“
      „Oh das werdet ihr.“ ein weiteres Lächeln umspielte seine Züge. „Das werdet ihr ganz sicher.“
      Nachdem der Fremde am Horizon verschwunden war, setzte er sich wieder an den See, nahm sein Buch zur Hand und begann zu Lesen.


      Sein Kopf richtete sich auf. Es war bereits dunkel geworden. Er musste beim Lesen eingeschlafen sein.
      Als er sich erhob, vernahm er abermals Schritte im Sand. Eine Gestalt zeichnete sich in der Dunkelheit ab.
      „Eine kühle Nacht und klare Sterne!“ grüßte er.
      Die Person bliebt stehen.
      „Eine kühle Nacht und klare Sterne.“ erwiederte sie mit sanfter Stimme.
      „Sagt, seid ihr auf der Suche nach eurem Bruder gute Frau?“
      Sie lachte. Es klang wie Lied. „Suchen? Nein. Es hat keinen Sinn ihn zu suchen. Ich folge lediglich seinem Pfad. Jemand muss auf ihn aufpassen. Ständig gerät er in Schwierigkeiten!“
      Als sie näher trat zeichnete sich ihre Gestalt ab, und bald darauf, erkannte er ihr Gesicht.
      Ihm wurde heiß und kalt zugleich, die Beine weich, das Herz leichter.
      „Iad´dja!“ lachend lief er auf sie zu und nahm sie fest in die Arme.
      „Uad´djun!“ erwiederte sie ihn erkennend mit leuchtenden Augen, drückte ihn und blickte ihn musternd an. „Was treibst du denn hier? Und wo bist du die ganze Zeit über gewesen?“
      „Ach hier und da... du kennst mich doch.“ ein breites Feixen breitete sich in seinem Gesicht aus.
      „Nur zu gut!“ sie stubste ihn anklagend mit dem Zeigefinger auf die Brust. „Du hast mir gefehlt.“ es klang beinahe vorwurfsvoll.
      „Was du nicht sagst!“ er hob selbstbewusst das Kinn.
      Ein Lachen und ein Schlag auf die Schulter war die Antwort. „Idiot! Los erzähl mir was du so getrieben hast!“ Sie trat neben ihn, schlang ihre Arme um seinen und führte ihn zum See.
      „Gerne, aber wolltest du nicht.... Warte mal... du folgst deinem Bruder. Aber ich bin...dann ist er...“
      „Ganz genau.“ erklang die Stimme des Fremden hinter den Beiden. Als sie sich zu diesem umdrehten fuhr er breit grinsend fort: „Ich bin du.“
      Er blickte dem Fremden in die Augen. Darum war er ihm so bekannt vorgekommen!
      „Er hat recht Uad´djun. Er ist du.“ als er zu ihr sah, lächelte sie, und sämtliche Unruhe fiel von ihm ab.
      „Aber wie kann das sein?“ fragte er neugierig.
      „Du bist hier an einem Ort, an dem du nicht verweilen solltest. Du musst fort von hier.“ antwortete sie sanft.
      Seine Fäuste ballten sich, und Zorn umwölkte seine Züge. „Oh nein! Nein! Niemand sagt mir was ich zu tun habe. Niemand! Und erst recht nicht hier! Auch du nicht. Hörst du! NIEMAND!“
      Wut keimte in ihm auf, und seine Worte wurden immer lauter, bis die letzten schliesslich in einem Schrei endeten.
      „Doch.“ sprach der Fremde ungerührt von dem Ausbruch „Es gibt einen einzigen. Und das bin ich. Mein Wort ist dein Gesetz. Und ich sage du gehst.
      Und du wirst mir gehorchen, weil du mir noch einen Wunsch schuldig bist. Du hast mir versprochen diesen einen letzten Wunsch zu erfüllen.“
      „Du wagst es mich mit dieser lächerlichen Forderungen zu kommen? Hier? Ein einziger Gedanke und ich werde dich..“
      „Halt Uad´djun! Nicht!“ sie schlag von hinten ihre Arme um seine Tallie, legte das Kinn auf seine Schulter und sprach leise und beruhigend
      „Tu das nicht. Fordere dich nicht selbst heraus. Erst recht nicht hier. Was denkst du denn, was du dadurch gewinnen könntest?“
      „Er hat kein Recht etwas von mir zu verlangen. Ich habe den Wunsch bereits erfüllt!“ Sein Zorn nahm unter ihrer Berührung leicht ab, doch noch immer glomm dort heisse Wut in seinen Augen.
      „Du glaubst das hier ist die Erfüllung deines Wunsches? Das ist nicht dein Ernst oder?“ gab der Fremde spöttisch und mit ätzendem Tonfall zurück.
      „Das akzeptiere ich nicht. Du verwechselst Hotep mit seiner Spiegelung im Wasser, wenn du das hier für die Erfüllung eines Wunsches hälst!“
      Sein Kinn reckte sich nach oben. Seine Fäuste ballten sich.
      Der Dornenstrauch begann zu rauchen und Augenblicke danach zerfiel er zu Asche, der See, die Fontainie verwandelten sich in eine heisse Dampfwolke, der Himmel riss auf, wie ein zerschnittenes Blatt Papier,
      und der Sand unter ihren Füssen wurde zu nichts.
      „Na los, dann überzeuge mich!“ brach es kalt aus ihm hervor „Versuch mich zum Gehen zu bewegen!“
      „Er hat recht.“ ihre Stimme klang traurig. „Du musst hier fort. Hier ist doch nichts für dich.“
      „Warum sagst du soetwas?“ fuhr er sie an.
      „Weil du willst, dass ich dir dies sage. Wie könnte ich hier etwas anderes sagen?
      Tief in dir weisst du, dass es die Wahrheit ist. Hier geschiet nichts ohne deinen Willen. Nichts Unvorhergesehenes. Nichts Neues. Keine neuen Geschichten.
      Wie lange denkst du denn, bist du hier zufrieden? Wie lange entspringt deinem Geist etwas Neues ohne den Einfluss neuer Ideen von Ausserhalb?
      Das ist nicht das was du willst. Du weisst das, sonst würde ich es dir nicht sagen können!“ Ihre Augen lagen auf Seinen. Mitgefühl, und der Hauch eines Flehens lagen darin.
      Er nahm die Arme herunter. Der Zorn war verfolgen, so schnell wie er gekommen war.
      „Ich weiss nicht, wie ich hier fortkomme.“ gab er zu.
      „Doch, denn ich weiss es auch. Es ist dir lediglich zuwider. Darum ist der Weg dorhin auch so schwer. Und weil er so schmerzt, lässt du ihn mich dir zeigen.
      Denn tief in deinem Inneren gibst du immer noch dir die Schuld an meinem Schicksal.
      Wenn ich dir den Weg zeige, den Weg nach draussen, wirst du mir gegenüber keinen Zorn empfinden, denn es wäre für dich eine Art Wiedergutmachung.“ Sie lächelte warm. So wie damals, wie in seinen Erinnerugen.
      „Zeig ihn mir. Bitte. Ich...habe noch einen Wunsch zu erfüllen.“
      Ihre Hand strich ihm sanft über die Wange und lächelte warm, einen Schritt zurück tretend.
      Als sie die Arme ausbreitete, wurde sie zu Licht. Einem angenehmen warmen goldenen Licht.
      Es tat gut. Er atmete langsam ein, und schloss die Augen. Das Licht wurde wärmer, angenehmer.
      Wozu all diese Mühe, fragte er sich.
      Ihm wurde wärmer, und das Licht drang alsbald durch seine geschlossenen Lieder. Es wurde schliesslich heiß. Es begann zu brennen, doch kannte er dies bereits.
      Er hatte Schlimmeres erlebt, überlebt.
      Er spürte wie seine Haare anfingen sich zu kreuseln, die Haut Blasen zu werfen, doch er ignorierte die Schmerzen.
      Er hatte Schlimmeres erlebt, überlebt.
      Die Haut schälte sich von seinen Muskeln, die Muskeln von seinen Knochen, er hatte Schlimmeres erlebt.....hatte er?
      Es war zuviel. Es war dies alles nicht wert!
      „Iad´dja! Stop! Hör auf! Ich will das nicht!“
      „Doch Uad´djun. Hem´achla.“
      Und sie trat einen Schritt auf ihn zu.

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