Der Mann mit der Maske

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    • Der Mann mit der Maske


      Der Mann mit der Maske


      -Velia zum Nachmittag-

      Auf seiner Stirn zeichneten sich tiefe Furchen ab, als Iliaz Hamed mit gerunzelter Stirn unmittelbar vor dem Schwarzen Brett, auf einer der wenigen Hauptstraßen der Hafenstadt Velias, stand.
      Seine dunkelblauen Augen huschten über das Pergament, auf welchem das kommende Erntedankfest zum Ende dieses Monates verkündet wurde. Langsam und die Augen allmählich von den niedergeschriebenen Worten lösend, verschränkte er seine Arme vor seiner breiten Brust und drehte sich seitlich mit dem Oberkörper der Nachmittagssonne entgegen.Ein seichtes Schmunzeln legte sich auf seine dunklen Lippen, als er die herbstlich, milden Sonnenstrahlen auf seiner beinahe ebenholzdunklen Haut fühlte. Genüßlich verschloss der Mann für einen Moment die Augen und blendete gar das mäßige Treiben um sich herum aus.
      Er vermochte jedoch nicht lange das warme Licht der Sonne genießen. Denn eine Trägerin konnte nur im letzten Moment einen Zusammenstoß mit Iliaz abwenden, welchen sie, bewegungslos wie er dort stand, nicht wahrgenommen hatte. Durch den Schreck fiel der Krug, welchen die Frau auf ihren Kopf transportierte, herunter. In letzter Sekunde packten die kräftigen Arbeiterhände des Mannes den Krug, ehe dieser auf dem steinigen Boden zerbarst und seinen Inhalt quer über die Straße verstreute. Mit entschuldigender Miene reichte er der überaus dankbaren Frau das Gefäß zurück. Mitsamt des Kruges in der Hand stolperte diese anschließend weiter, nicht ohne sich noch mehrfach dankend nach dem Mann umzusehen.
      Iliaz blickte der Frau noch eine Weile nach, ehe er kehrt machte und mit einem letzten Blick auf das Schwarze Brett zu seiner Unterkunft aufbrach.

      Dort angekommen verschloss er hinter sich die schwere Holztür zu seinem Zimmer, welches er in der Gaststätte "Mondschein" angemietet hatte. Sein Blick glitt durch den spartanisch eingerichteten Raum. Ein Bett, eine Kommode, ein Tisch und zwei Stühle.
      Mehr benötigte er jedoch auch nicht. Als Wanderarbeiter gönnte er sich lieber den Luxus einer guten Mahlzeit. Vielleicht auch den einen oder anderen Besuch bei einem Freudenmädchen.
      Obwohl er damit weniger Probleme hatte.
      Eigentlich kam er an so ziemlich jeden größeren Ort in Kontakt mit diversen Frauen, welche sich von seinem Erscheinungsbild durchaus angezogen fühlten und den Mann bei guter Gelegenheit und bei Einbruch der Nacht in dunkle Ecken lockten. So auch in Velia.

      Er seufzte, so wie er da im Raum stand. Eigentlich ging es ihm gut. Er hatte Arbeit, verdiente Silber und gönnte sich hin und wieder ein paar Kleinigkeiten. Doch seitdem Iliaz in dieser eigentlich recht beschaulichen Stadt war, verspürte er eine innere Unruhe. Woran konnte dies liegen?
      Ohne darüber nachzudenken ging er mit drei Schritten durch den Raum und stand bereits neben dem Bett und seinem großen Rucksack. Der Mann beugte sich hinab und kramte aus dem Rucksack einen Gegenstand hervor, welcher in einem Tuch aus feinstem Stoff, direkt aus seiner Heimat Kusha, mehrfach schützend eingewickelt war. Kurzerhand nahm Iliaz auf dem Rand des Bettes Platz und wickelte nach und nach das Tuch von dem Objekt ab, bis eine hölzerne Maske zum Vorschein kam.
      Langsam fuhr er mit seinen rauen Fingerspitzen die geschnitzten Konturen auf dem teils dunklen, teils hellen Holz entlang. Mund, Nase und die leeren Augenhöhlen waren gut erkennbar und wurden vom damaligen Schöpfer der Maske recht detailgetreu definiert. Die ebenfalls ins Holz eingekerbten Verzierungen gaben der Maske einen interessanten und mysteriösen Hauch.
      Nachdenklich wendete er das hölzerne Konstrukt in seinen Händen. Es waren 17 Jahre vergangen seitdem er damals die Maske in den mumifizierten Händen eines unglückseeligen Reisenden gefunden hatte. Seit jenen Tagen überkam ihn dieses undefinierbare Bedürfnis westwärts in die Welt zu ziehen. Doch zwischendurch zog ihn dieses gleiche Gefühl wiederrum in andere Himmelsrichtungen, sogar zurück in den Osten. Und dann wieder westwärts.
      Iliaz konnte sich das nicht recht erklären, doch er hatte immer das tiefe Empfinden, als wäre dies richtig. Als gäbe es nichts anderes. Bis er vor einigen Wochen Velia erreichte.
      Dieses Gefühl, wie ein ureigener Instinkt in Form eines inneren Flüsterns, verriet ihm er war nun am Ziel. Er hatte es geschafft. Der Drang weiterzuziehen - weg.
      Doch dafür diese Unruhe. Als würde etwas geschehen. Nein, als müsste etwas geschehen. Lauernd, auf die Gelegenheit wartend.
      Doch es war als blickte er in eine Nebelwand hinter der klar und deutlich etwas läge, nur jetzt vermochte er es noch nicht zu erkennen. Alles was er sah waren verwobene Farben. Ineinanderfließend wie die Geschmeidigkeit einer Frau. Rot und Schwarz.
      Iliaz betrachtete das Innere der Maske. Die Versuche sein bisheriges Handeln schlüssig zu ergründen scheiterten. Immer und immer wieder drifteten seine Gedanken ab.
      Doch jetzt festigte sich in seinem Kopf ein ganz anderer Gedanke.Das kommende Fest zum Ende des Monates. Verkleidungen. Maskerade.

      Eine Gelegenheit.

      Langsam setzte er sich die Maske auf.

      Und es war richtig.