Lockmittel

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    • "Los jetzt, die Leinen los! Wir legen ab!" Kapitän Olem warf noch einen letzten Blick auf den im Nebel liegenden Hafen und spuckte lautstark über die Reling ins Wasser.
      Er wollte sich gerade umdrehen und seine Mannschaft weiter antreiben als er eine Gestalt sah die sich in der Dunkelheit aus dem Nebel herausschälte und offenbar direkt auf sein Schiff zuhielt.
      Olem kratzte sich unter dem Hemd und bohrte ausgiebig in der Nase bis er schliesslich seinen Blick losreissen konnte und sich gen Deck umwandte.
      "Guter Mann! Einen Augenblick!" rief der Fremde Olem zu.
      Verärgert brummend drehte sich der Kapitän abermals um. "Was? Wir legen ab! Wenn ihr was wollt, wendet euch an den Hafenmeister."
      "Ah..ja, das sehe ich, aber ihr habt Frachtgut im Hafen übersehen!" Und ein kleines klimperndes Säckchen folgte den Worten des Mannes auf dem Fusse und fand seinen Weg in die ausgestreckten Hände des Kapitäns.
      "Hä? Was soll der Unsinn?" doch die Neugier siegte, und Olem zog die Börse auf. Seine Augen weiteten sich, als er den Inhalt erblickte. Die Ablenkung ausnutzend, hiefte der Fremde sich derweil an Bord.
      "HEY! Stop! Runter von meinem Schiff Bursche!"
      "Nana..." die Zähne des Mannes blitzten unter der Kaputze auf. "Ihr habt hier mehr als genug Platz, und wie ihr seht habe ich ausgesprochen wenig Gepäck dabei."
      Er hob ein kleines Bündel an, dass er über den Rücken geworfen hatte. "Und mit Verlaub, der Inhalt des Säckchens sollte reichen, um diese Schaluppe hier für einen Monat in Gänze zu mieten."
      "Ja. Eben! Und das kann nur bedeuten, dass ihr auf der Flucht vor irgendetwas seid. Und Scherereien können wir nicht gebrauchen."
      Der Mann winkte ab, und ging unbedeindruckt Richtung Schiffsinneres. "Keine Sorge. Keine Flucht, keine Scherereien. Eher das Gegenteil. Was ist das Gegenteil von Flucht?.. Einerlei.
      Wo soll ich mich hinsetzen, damit ich euch und der Mannschafft am wenigsten im Weg stehe?"
      "Ich habe gesagt ihr sollt verschwinden!"
      Der Mann lachte und deutete auf den sich bereits entfernenden Hafen. "Wirklich? Ihr wollt mich ins Meer werfen?"
      Ungläubig blickte Olem zu dem Kai, welcher sich gute zweieinhalb Meter entfernt hatte.
      "Ihr seid doch nicht ganz richtig im Kopf! Ihr wisst doch noch nicht einmal wohin wir fahren!"
      "Natürlich weiss ich das!" der Mann drehte sich um und grinste noch immer breit. "Fort von hier!"
      "Junge, das ist eine verdammt gefährliche Strecke, die wir zurücklegen müssen..."
      "Kapitän" der Mann hob die Hand. "Ihr könnt mir die Fahrt noch so sehr versüssen, ihr bekommt deshalb trotzdem keine Münze extra."
      Olem öffnete den Mund, doch fand er für den Augenblick nicht die richtigen Worte.
      Der Mann hingegen schlug lediglich die Kaputze zurück. "Im übrigen, ich bin Arn. Für Freunde Frachtstück Arn." Und sein Auge glänzte vor Übermut und Tatendrang im Licht der aufgehenden Sonne.

      "....und der Junge in seiner seidenen Kleidung blickte die runzelige Seherin vor sich an, und Wut trat in seine Augen."
      Am Abend hatte sich die fünfköpfige Mannschaft zusammengesetzt. Ein Jeder hatte eine Schüssel mit dampfendem Eintopf in den Händen, und gebannt lauschten sie Arns Geschichte.
      ""Du alte Vettel! Erzähle mir nicht so eine Kamelscheisse!"
      Die Seherin hob mahnend die Hand. "Junger Herr, beruhigt euer Herz. Nie zuvor habe ich ein so klares Bild vor mir liegen gesehen. Seht euch vor! Wenn das Bildnis des Granus über Heroset gleitet, werdet ihr ertrinken, und das Sicksal wird euch zu sich rufen."
      "Das Schicksal kann mir die Arschritze sauber lecken! Ertrinken! Wirklich Alte, du hast ja richtig Humor!" spottete der Junge, und die Arroganz in seinen Zügen schärfte sich, als hätte ein Künstler sie mit einem Messer nachgezeichnet.
      Die Seherin hingegen hob beschwörend die Hände "Mein Sohn, spotte nicht über das Schicksal! Denn es ist der Wille des Einen! Und ein jeder, selbst unser König ist ihm Untertan."
      "Wisst ihr was?" der Junge beugte sich vor, sodass seine Nase beinahe die der Alten berührte. "Für so einen Mist bekommt ihr kein einziges Kupferstück von mir. Versucht jemand anderen Angst einzujagen."
      Und ohne den Blick abzuwenden, strich seine Hand die Münzen ein, die er vor dem Kartenlegen als Zahlung auf den Tisch gelegt hatte.
      Zorn flackerte in den Augen der Alten auf. "Es wird der Tag kommen, da du dir mehr Unheil aufgebürdest, als das dich dein Vater noch davor zu schützen vermag! Und an diesem Tag..."
      "Blablablablabla!" Der Junge wandte sich ab und lachte. "An diesem Tag, werde ich die Herausforderung des Schicksals annehmen." Und kurz blieb er stehen doch drehte er sich nicht um.
      "Und an diesem Tag, das schwöre ich, werde ich ihm so gewaltig in den Arsch treten, dass es an meinen Fußnägeln kauen kann!"

      "Bei Elios. Der Junge hat es nicht anders gewollt. Ist er ertrunken?" Marl blickte bei der Frage schmatzend zu Arn.
      "Er wäre doch bescheuert, wenn er sich Zeit seines Lebens irgendwelchen Gewässern nähern würde. Und überhaupt," Ron kratzte sich an der Stirn. "Wann tritt das Bild von Gawus über Hemonet?"
      "Das Bild von Granus über Heroset." berichtigte ihn Kapitän Olem, ohne den Blick von Arn zu wenden. "Eine Sternenkonstellation die nur einmal alle fünfzig Jahre eintritt." Er blickte in den Himmel.
      "Und wenn die Geschichte nicht schon sehr alt ist, dürfte der Junge wohl noch am leben sein." seine Augen verengten sich den Fremden musternd.
      "Arn bedeutet Ärger. Habs gleich gesagt." brummte Cob, der Riese und deutete mit dem Löffel auf den Fremden.
      Dieser grinste auf seine unbeschwerte Art. "Eurer Kapitän hat recht. Die Konstellation wird erst in einigen Monaten auftreten. Seht also zu, dass ihr zu dieser Zeit alle Ertrinkenden aus dem Wasser fischt. Schliesslich bedeutet der Spruch der Seherin nicht gleich den Tot des Jungen. Naja. Zugegeben, es ist naheliegend...aber dennoch."
      Er klopfte sich auf die Oberschenkel. "Und ausserdem kann man auch in anderen Dingen ertrinken als Wasser. In Erinnerungen oder Gefühlen zum Beispiel. Denkt mal drüber nacht. Und letztlich war das lediglich eine Geschichte, und kein historischer Bericht!"
      "Deine Geschichte ist Scheisse." warf Cob trocken ein, und schlürfte lautstark den Rest Suppe aus seiner Schüssel.
      Arn lachte "Anspruchsvolles Publikum! Wisst ihr was? Morgen abend erzähle ich euch eine andere Geschichte, und sollte euch die nicht gefallen, könnt ihr mich einfach über Bord werfen, und ich werde mich nicht einmal wehren. Ihr habt mein Wort darauf!"
      Cob blickte auf und liess gehässig seine Fingerknöchel knacken. "Abgemacht!"
      Arn erhob sich und blickte noch immer feixend in den Sternenhimmel. "Weisst du, irgendetwas sagt mir, dass sie euch gefallen wird. Ich bin nämlich ein lausiger Schwimmer."
      Er trat aus dem Feuerschein an die Reling und hatte Mühe ein Lachen zu unterdrücken. Als er den Blick umwandte, sah er, dass die tuschelnde Mannschaft ihn mehr oder weniger heimlich beobachtete.
      Also würde es nun doch eine interessante Fahrt werden, dachte er bei sich. Die Augen wanderten zurück, zu der pechschwarzen, schier endlos scheinenden Wasseroberfläche, auf denen die Spiegelbilder der Sterne auf und ab schaukelten.
      Die Haare auf seinen Armen stellten sich auf, sein Magen krampfte sich leicht zusammen, und einzelne Schweissperlen traten auf seine Stirn, als sich das Gift des schwarzen Aals in seiner Brust bemerkbar machte.
      Gleichzeitig hellten sich seine Züge auf, und in seinen Augen spiegelte sich Vei. Wie lebendig er sich jedesmal dabei fühlte wenn sich das Gift regte. Er musste aufpassen nicht süchtig danach zu werden.
      Zufrieden über das offensichtliche Ergebnis seiner Geschichte, ging er weiter in die Schatten aus dem Blickwinkel der Mannschaft und zog einen kleinen Umschlag aus seiner Jacke.
      Der wahre Grund für seine Reise.
      Ein Umschlag aus feinstem Papyros, versiegelt mit einem nur allzu bekannten Zeichen in goldenem Wachs. Er zog die Nachricht die sich darin befand hervor, und überflog zum wiederholten Mal den Text.
      Doch so sehr er sich auch bemühte, er konnte ein paar Worte einfach nicht übersetzen. So gut wie niemand konnte das dieser Tage noch. Nur blieb ihm deswegen der tatsächliche Inhalt des Briefes verborgen.
      Dennoch war es nicht schwer zu erraten, wer diesen Brief verfasst und eben dort plaziert hatte, wo er ihn nicht hatte übersehen können. Wenige Tage nachdem die anderen zu ihrer Reise aufgebrochen waren.
      Wer mochte da an Zufälle denken?
      Was blieb ihm also anderes übrig als den Verfasser direkt nach der Übersetzung fragen? Von Angesicht zu Angesicht.
      Genau das, was dieser Jemand offensichtlich auch beabsichtigt hatte.
      Vieleicht hatte er ja sogar Glück und es war eine Falle!
      Und wenn alle auf Reisen gingen, würde doch niemand ernsthaft erwarten, dass er die Füße stillhielt.
      Arn bliess sich in die eiskalten Hände, und ergab sich eine Weile der belebenden Wirkung des Gifts.
      Da fiel ihm ein, er sollte Olem noch fragen, wohin dieser Kahn denn nun eigentlich fuhr...